Die erste Dienerin der Königin

1.

Es war ein große Ehre für Eleane Silberschnee der Königin zu dienen. Eine Ehre für die sie selbst ihr Leben als Bardin des Lichts aufgegeben hatte. Es oblag ihr sich um die persönlichen so wie geschäftlichen Belange der Königin zu kümmern, als ihre persönliche Assistentin, und auch die Dienstboten der Königin überwachen.

Morgens war sie früh auf den Beinen, um sich persönlich davon zu überzeugen, dass es der Herrin von Schandaar an nichts mangeln würde. Sie überwachte die Yetimädchen dabei, wie sie das Bad der Königin erhitzten, überwachte die Auswahl der Kleidung und massierten sanft die Füße ihrer Herrin, dass nicht die Hand eines Menschen die Haut der Königin der Eiselfen berührte.

Getreu ihrem Schwur, der wahren Königin über Schandaar zu dienen, tat sie alles was ihr möglich war, um das Wohl dieser Königin zu bewahren. Königin Eleive war die edle Herrscherin der Eiselfen von Schandaar, und Eleane ihre treue erste Dienerin.

Die Königin war ihres Volkse würdig. Von erhabener Anmut und ätherischer Schönheit saß sie auf dem Thron aus Eis und Licht im höchsten Palaste von Schandaar. Ihre Haut war von makelosem Weiß, ihr langes, glattes Haar schillerte hell im Licht der Sonne wie reinstes Silber. In den Händen hielt sie den Stab des Lichtes als Symbol ihrer Macht und um den Hals trug sie eine Kette aus schneeweißem Achat, den eine feine Linie als Symbol des Lichts durchzog.

Wie Wasser umfloss ihr Gewand den schlanke Körper der Königin, und wie frischgefallener Schnee umschmiegte der Umhang ihre Schultern.

Der Sessel auf den sie sich am frühen Morgen nieder gelassen hatte, war mit schneeweißem Samt bezogen. In blassem Lila zogen sich Linie über die Lehnen, welche die Umrisse eines Horns nur andeuteten. Durch hohe Fenster strahlte helles Licht auf eine lange Tafel auf der in Schalen und Krügen aus Alabaster reines Quellwasser und frische, helle Früchte warteten. Der Schreibtisch der Königin aus ebensolchem Alabaster, bedeckt von Schriftrollen und Pergamenten, nahm eine Ecke der Halle ein. So mächtig er war, so wenig fiel er auf, im weitläufigen, privaten Gemach der Königin. Im Hintergrund führte eine Tür weiter in das privateste Gemach, dessen Schwelle kaum ein Elf geschweige denn ein Mensch je überschritt, das Schlafgemach ihrer Majestät.

Keine Farbe als Weiß und blasses Lila verunzierten die Gemächer der Königin von Schandaar. Dies waren heilige Halle, die hoch über den Mauern Schandaars thronten, nur noch überragt vom heilgen Turm des ewigen Lichtes. Allein das Feuer in der rechten und das Wasser in der linken Wand jedes Raumes hob sich ab vom lichten Weiß von Schandaar.

Vorsichtig stellte Eleane die Füße ihrer Königin auf ein schneeweißes Seidenkissen, griff nach ihren in hellem Perlmutt glänzenden Pantoffeln um sie über die zarten Füße zu streifen und erhob sich wieder. Es war ihr eine Freude ihrer Herrin diesen kleinen Dienst am Morgen zu erbringen, auch wenn es eigentlich nicht ihre Aufgabe war. Die weiche Haut unter ihren sanften Händen fühlte sich angenehm zart an und das Wasser über die nackten Füße rinnen zu sehen erfüllte Eleane jeden Morgen aufs Neue mit tiefster Ergebenheit.

Während eine Sklavin die Wasserschüssel beiseite räumte, wartete Eleane ob ihre Königin noch Wünsche äußerte, ehe sie an ihr Tagwerk ging.

„Danke, Eleane“ erfüllte die glockenklare Stimme der Herrin den Raum. „Geh doch bitte meine Briefe durch. Und kümmere dich um den Elf der auf eine Antwortet wartet. Ich habe mir noch nicht einmal seine Frage angehört. Erledige das bitte für mich.“

Das Lächeln der Königin erinnerte an den Glanz der Sonne auf frischgefallenem Schnee.

Eine Treppe musste Eleane hinunter gehen, um in einen Saal, der beherrscht war von einer Tafel in deren Alabaster sorgfältig Ornamente in rot und blau eingelegt waren, zu gelangen. Mit weißem Samt bezogene Stühle standen um den Tisch herum, ansonsten war der Saal leer. Hier empfing die Königin, oder auch eine ihrer Vertrauten, diejenigen ihrer Untertanen, welche ein Anliegen, eine Frage oder auch eine Bitte hatten, in königlich lichtem Weiß.

Der Elf, der vor dem Tisch auf Eleane wartete, war hochgewachsen, mit einem ganz leichten Blaustich in den Haaren. Sein blauschimmerndes Gewand hing an seinem dürren Körper, so dass er mehr einem Kleiderständer glich, denn einem Elf. Nichts desto trotz stand er aufrecht und blickte Eleane gerade ins Gesicht.

An seiner Seite stand ein Menschenjunge, der sich schüchtern umsah, dann aber unter Eleanes Blick scheu zu Boden blickte.

„Was wünschst du?“ Erwartungsvoll sah sie den Mann an, der sie um gut einen Kopf überragte.

„Mein Name ist Galeb Lichtweiß und ich komme in einer recht komplexen Angelegenheit betreffs meiner Familie, und der Familie Lahendeth, welche in unserer Nachbarschaft lebt. Es gibt da etwas zu klären.“

Ehrfürchtig senkte Eleane ihr Haupt. Die Familie Lichtweiß war bekannt und angesehen. Viele hohe Ideen stammten aus diesem Geschlecht. Schon unter den alten Königinnen genossen sie hohes Ansehen. „Es ist mir eine Ehre. Gerne bin ich dir behilflich.“ Ihr Blick wanderte zu dem Menschen.

„Ich benötige die Hilfe meines Sklaven für alles Mögliche. Könnte er in den Sklavenräumen warten?“

Zögernd nickte Eleane, und winkte dem Menschen zu verschwinden. Noch während er ging, wandte sie sich dem Elfen vor ihr zu. „Dann erklär mir doch bitte genauer worum es geht.“ Mit der Hand deutete sie zur Tür und Galeb Lichtweiß folgte ihr zu dem Alabastertisch nahe der offenstehenden Tür zum Balkon.

„Also?“ fragend sah sie ihn an, als sie beide saßen.

„Nun, es geht um die Melodie der Eisrose.“

Wissend nickte Eleane. Es war ein altes Lied, über die Liebe einer Königin, die sie in Eis bannte um der reinen Logik zu folgen. Dies ermöglichte den Königinnen des alten Geschlechtes über drei tausend Jahre lang weise und ohne Fehl zu herrschen. Daher auch die Bezeichnung „die reinen Könginnen“.

Das Lied stammte aus der Zeit, des Beginns ihrer Herrschaft aus der Feder eines der Vorfahren von Galeb Lichtweiß. Es war ein altes und hoch angesehenes Lied, welches oft gesungen wurde in Schandaar.

„Nun hat mir Naminde Lahendeth ein altes Schriftstück vorgelegt“ fuhr Galeb Lichtweiß fort, „welches besagt, dass der Name jenes alten Barden nicht Elgenar Lichtweiß, sondern Elgenar Lahendeth war, Sohn von Iref Lahendeth. Dies müsste zu überprüfen sein.“

„Ja sicher“ nickte Eleane. „Dies wäre zu überprüfen.

Ich werde gleich selbst in die Archive gehen um diesen Tatbestand zu prüfen. Es dauert nur ein paar Minuten das Lied der Eisrose zu holen. Wenn du bitte warten möchtest. Verfüge bitte über unsere Sklaven. Sie werden dich mit allem versorgen, wonach du verlangst.“

Das Lied der Eisrose war leicht zu besorgen. Eleanes Schritte führten hinauf in die Räume der Schriften, dorthin wo sich die alten Lieder befanden, und sie einer jungen und äußerst eifrigen Eiselfe den Auftrag gab die Schriften zu genau diesem Lied zu suchen.

Es ging um den Beginn der Stadt Schandaar, von der Zeit in der die Eiselfen ihr Land Ilwyn verließen um hierher zu kommen, weit in den Westen, in das ewige Eis von Elinos, wo sie das Licht finden und verbreiten sollten, auf der Welt der Menschen.

Die Melodie war so alt wie Schandaar selbst, und die ersten Worte beschrieben noch die ewiglich weißen Berge von Ilwyn.

Tiefes Weiß aus lichtem Schnee bedeckt die Gipfel von Ilwyn. Dort hoch oben erklingt das Lied der Bardenelfen von Ilwyn. Hell klingen Harfenklänge, tief schallen die Trommeln, hoch jubeln die Sangesstimmen der Bardenelfen von Illwyn.“

Nur wenige Minuten musste Eleane warten, bis die junge Elfe ihr ein Bündel Schriftrollen und ein Buch überreichte. „Dies sind alle Schriften die ich finden konnte“ erklärte sie.

Eleane nickte, dankte für die Hilfsbereitschaft und nahm das Bündel aus Pergament und weißlackiertem Holz an sich.

Dies war zu viel um es so ungeordnet dem alternden Elfen zu zeigen. Sie würde es lieber hier kurz durchgehen, um die wichtigen Informationen herauszufiltern. Also legte sie alle Papiere vor sich auf einen Tisch, setzte sich an den Tisch und begann zu suchen.

Es ging um den Namen des Barden der das Lied geschrieben hatte, und seine Zugehörigkeit zu einer Familie. Wie war sein Name? Lautete er Lichtweiß oder Lahendeth?

Das Lied selbst lag zuunterst, zwischen verschiedenen Schriftrollen und Papieren. Es trug eine Überschrift, welche deutlich hervorgehoben war und den Namen des Barden beinhaltete, der das Lied gedichtet hatte.

„Die Melodie der Eisrose“ geschrieben von Elgenar Lichtweiß, stand dort deutlich zu lesen.

Wissend nickte Eleane, dies war eindeutig und ohne Zweifel der Beleg dafür, welchem Clan Elgenar angehörte. Er war ein Sohn der Familie Lichtweiß.

Doch sie war gewissenhaft und las weiter.

Die Melodie war lang, über drei Rollen war sie aufgezeichnet, und enthielt nur wenige Worte.

Zu Beginn war die Schönheit Ilwyns beschrieben, doch gleich ging es über in die Liebe der Königin und die Notwendigkeit reinen Verstandes. Der Geist, das Wissen, das reine Licht sollten herrschen, und so bannte die Königin all ihre Liebe in eine einzige Rose im ewigen Eis.

Diese eine Rose aber sollte stets bei ihr sein dem Volke der Eiselfen zum Wohle.

So konnte die Königin ihre Entscheidung treffen, Illwyn zu verlassen und hinaus zu ziehen in den fernen Westen, wo die Eiselfen eine zweite Heimat fanden. Sie erreichten Schandaar, erbauten die Stadt aus Eis und erhoben sich über die Menschen und Trolle des Eis. All dies unter der Herrschaft der reinen Königinnen.

All dies war weithin bekannt. Jede Eiselfe hatte gelernt, was damals geschehen war, beschrieben in der Melodie der Eisrose.

Ein Name stand dort unten wie eine Unterschrift. Er war blas und kaum zu erkennen, doch klar konnte Eleane den Beginn des Familiennamens lesen: La. Als sie das Schriftstück ins Licht hob, sah sie was dort stand: Die Unterschrift des Barden: Elgenar Lahendeth, Sohn von Iref Lahendeth.

Zwei Namen, wie kam es dazu?